Sprechen wir von einer “blühenden Landschaft”, dann denken die meisten von uns direkt an schöne, farbenfrohe Pflanzen, die mit ihrer bunten Pracht und Nahrung in Form von Nektar Insekten anziehen. Allerdings gibt es in unserer Landschaft auch andere Organismen, die “blühen” und Nährstoffe für unsere Insekten verfügbar machen.
Die Rede ist von Pilzen. Denn Pilze, die wir oft als typische Erscheinung des Herbstes wahrnehmen, spielen bei der Nahrungsversorgung von Insekten eine wichtige Rolle. Was wir als Pilze sehen, sind eigentlich die Fruchtkörper des unterirdischen Pilznetzwerks, des sogenannten Myzels. Diesen Fruchtkörper könnte man bildlich als die “Blüten” der Pilze betrachten.
Pilze als Nahrungsquelle
Pilze bieten Insekten eine vielfältige Nahrungspalette. Pilzsporen sind für viele Insektenarten eine nährstoffreiche Nahrungsquelle, zum Beispiel dem Rüsselkäfer. Einige Insekten ernähren sich direkt von den Fruchtkörpern der Pilze, sowie viele Schnecken. Aber auch das Myzel, das unterirdische Netzwerk der Pilze, dient manchen Insekten als Nahrung. Unter anderem Ameisen. Bei Schmetterlingsraupen wie den Schwammspinner (Lymantria dispar) frisst die Raupe gezielt Pilzsporen auf Blattoberflächen, besonders im frühen Entwicklungsstadium. Sie bevorzugen Blätter, die von Pilzen wie Rostpilz oder Mehltau befallen sind. Ähnlich wie der Schwammspinner profitiert der Schlehenbürstenspinner vom Fraß an Pilzsporen und pilzbefallenen Blättern. 1 2 3
Insekten zur Verbreitung von Sporen
Der einheimische Fliegentöter-Pilz (Entomophthora muscae) manipuliert Stubenfliegen. Er infiziert Stubenfliegen und beeinflusst ihr Verhalten, weil der Pilz Lockstoffe produziert, die gesunde männliche Fliegen anziehen. Befallene Fliegen klettern vor ihrem Tod an erhöhte Positionen. Wo sich die Sporen auf einem guten Standort festigen können.
Ökologische Funktionen
Pilze erfüllen wichtige ökologische Funktionen, die indirekt Insekten zugutekommen: Als Zersetzer wandeln Pilze organisches Material in Nährstoffe um, die wiederum Insekten ernähren. Sie schaffen Mikrohabitate, die von verschiedenen Insektenarten genutzt werden. 4
Symbiosen zwischen Pilzen und Insekten
Einige faszinierende Beziehungen haben sich zwischen Pilzen und Insekten entwickelt: So kultivieren Ambrosiakäfer aktiv bestimmte Pilzarten in ihren Baumhöhlen als Nahrungsquelle. Diese Käfer sind in Deutschland ein Neozoon. Manche Insektenarten tragen zur Verbreitung von Pilzsporen bei, ähnlich wie Bienen bei Blütenpflanzen.
Die Dung bewohnenden Insekten wie die Behaarter Kurzflügler (Emus hirtus) ist ein Käfer, der auf Dung lebt und zur Verbreitung der Sporen der punktierten Porenscheibe (Poronia punctata) beiträgt. Eine Hornissen-Raubfliege (Asilus crabroniformis) jagt andere Insekten auf Dung und trägt so indirekt zur Sporenverbreitung bei.
Die Vorliebe für Pilzsporen hat mehrere Vorteile für die Insekten:
- Höhere Nährstoffkonzentration: Pilzsporen enthalten wichtige Nährstoffe wie Aminosäuren, Stickstoff und B-Vitamine.
- Schnellere Entwicklung: Insekten, die sich von Pilzsporen ernähren, entwickeln sich oft schneller und haben einen Vorteil gegenüber Artgenossen.
- Zusätzliche Nährstoffquelle: Pilzsporen dienen als ergänzende Nahrungsquelle neben dem Pflanzenmaterial. 5 6
Wie bei krautigen Pflanzen auf einer Wiese ist es auch bei Pilzen möglich, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Verbreitung zu verbessern und damit ihre ökologische Funktion zu verstärken. Ähnlich wie bei unserer Flora auf der Wiese ist ein Übermaß an Nährstoffen oft ein ungünstiger Faktor für Pilze. Während der Vegetationsperiode ist es wichtig, die Flächen zu mähen und zu pflegen sowie den Grünschnitt oder Holz und Blätter abzutransportieren. Wenn diese Fläche über einen längeren Zeitraum so gepflegt wird, können die Indikatorarten auf ein gutes Management der Fläche für Pilze hinweisen.
Indikatorarten Natur in der Stadt
Alte Stadtbäume | Wissenschaftlicher Name | Deutscher Name |
Ganoderma australe | Wulstiger Lackporling | |
Perenniporia fraxinea | Eschen-Baumschwamm | |
Rigidoporus ulmarius | Ulmen-Porling | |
Rasen, Grasflächen | ||
Leucoagaricus leucothites | Weißer Egerlingsschirmling | |
Panaeolus acuminatus | Spitzkappiger Düngerling | |
Gärten | ||
Coprinus atramentarius | Grauer Falten-Tintling | |
Cyathus striatus | Gestreifter Teuerlingsbecher | |
Hecken und Sträuchern auf Brachflächen | ||
Agaricus arvensis | Acker-Champignon | |
Agaricus bitorquis | Straßen-Champignon | |
Agaricus vaporarius | Gürtel-Champignon | |
Bjerkandera fumosa | Rauchporling | |
Coprinus comatus | Schopf-Tintling | |
Langermannia gigantea | Riesenbovist | |
Lepiota subincarnata | Fleischrötlicher Schirmling | |
Morchella semilibera | Käppchenmorchel | |
Stadtgrünanlagen mit Bäumen | ||
Agaricus bitorquis | Straßen-Champignon | |
Agaricus semotus | Weinrötlicher Champignon | |
Boletus luridus | Netzstieliger Hexenröhrling | |
Boletus porosporus | Dunkler Filzröhrling | |
Wege mit Holzschnitzeln | ||
Agrocybe putaminum | Holzhäcksel-Träuschling | |
Coprinus lagopus | Hasenpfote | |
Psathyrella corrugis | Zierlicher Zärtling | |
Stropharia aurantiaca | Orangeroter Träuschling |
Es ist wichtig zu beachten, dass die Beziehungen zwischen Insekten und Pilzen oft komplex sind und weitere Forschung erforderlich ist, um ein vollständigeres Bild der fungivoren Insektenarten zu erhalten. Die Nutzung von Pilzsporen als Nährstoffquelle könnte bei Insekten weiterverbreitet sein als bisher angenommen, was neue Perspektiven auf die Koevolution von Pflanzen, Pilzen und Insekten eröffnet. 7
Jurjen Molenaar
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Kategorie:Allgemein