Buntes Grünland – vom Grasacker zur Blumenwiese

Wiederherstellung artenreicher Heuwiesen aus Intensiv-Wiesen

Buntes Grünland, also blühende Wiesen waren bis vor einigen Jahrzehnten die Hauptnahrungsquelle für Blüten besuchende Insekten wie Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und Co. Eine immer intensivere und häufigere Nutzung des Grünlands gibt inzwischen jedoch den meisten Blühpflanzen keine Gelegenheit mehr zur Blüte und zur Reproduktion. Infolge verarmen diese Grünlandbestände stark.   

Der Rückgang der Biodiversität insbesondere in den agrarisch geprägten Landschaften ist seit vielen Jahren immanent. Dabei rückt zum einen der Verlust der pflanzlichen Biodiversität und zum anderen der Rückgang der Insekten in den Fokus der Öffentlichkeit. In vielen Landschaften sind der Rückgang der Lebensräume und der Insekten durch die moderne Landwirtschaft bereits sehr weit fortgeschritten. Eine natürliche Wiederbesiedlung bzw. Wiederentwicklung artenreicher, extensiv genutzter Acker- und Grünlandflächen ist häufig nicht oder kaum mehr möglich ist. Es fehlen sowohl die Quellpopulationen als auch die Trittsteinbiotope sowie die ehemaligen Ausbreitungswege der Pflanzen- und Tierarten (z. B. Wanderschäferei), um mögliche neue Lebensräume (wieder) besiedeln zu können.  

Buntes Grünland, also artenreiche, bunt blühende Wiesen und Weiden, ist besonders in Landschaften mit intensiver Grünlandnutzung kaum mehr anzutreffen. Besonders die Regionen mit hoher Viehdichte sind betroffen, z. B. die norddeutsche Tiefebene, die Eifel, das Allgäu. Die Heuwiesen-Wirtschaft, die über Jahrhunderte unsere heimatlichen Landschaften geprägt hat, ist in weiten Teilen verschwunden. Es herrschen eintönig grüne, intensive Silagewiesen oder Intensivweiden vor. Dabei bieten artenreiche Heuwiesen neben den offensichtlichen ökologischen Vorteilen (vgl. Info-Box „Artenreiche Wiesen“) auch zunehmend ökonomische Vorteile für die Landwirtschaft  – Stichwort „Heumilch“ – wodurch sich z. B. ein Premiumprodukt vermarkten läßt.

Das Bunte Grünland in der Süddeutschen Zeitung

Über das Projekt berichtete die SZ am 27. Oktober 2023 unter dem Titel “Im Blüten-Paradies”

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Die SZ hat in einem langen Artikel über unser Buntes Grünland berichtet. Wir freuen uns sehr!

“Von der Silagewiese zum vielfältigen Lebensraum: Ein Projekt bei Leutkirch im Allgäu zeigt, dass sich landwirtschaftliche Nutzung und Artenreichtum nicht ausschließen. […] In den vergangenen Jahren hat sich beispielsweise die Zahl der Heuschrecken verdoppelt, es gibt zweieinhalb Mal so viele Tagfalter und auch die Zahl der Pflanzenarten hat deutlich zugenommen. Und: Futter wirft die Wiese auch noch ab.”

Buntes Grünland: Artenreiche Salbei-Glatthaferwiese mit Blühaspekt von Acker-Witwenblume (Foto: Holger Loritz)
Eine derartig bunte Wiese ist Lebensraum für eine Vielzahl von Insekten.(Foto: Holger Loritz)

Manchmal muss der Mensch nachhelfen – Wiederherstellung in ausgeräumten Landschaften

Dabei nehmen zunehmend Flächeneigentümer und -bewirtschafter die Verarmung ihrer Nutzflächen wahr und suchen nach Wegen aus der ökologischen Sackgasse. Zurück zu den vormals artenreicheren Beständen, die eine natürliche und standörtlich angepasste Nutzungselastizität aufweisen. Es fehlt jedoch an einfach zu vermittelndem Know-how, Erfahrungen und Handlungsanleitungen wie eine Artenanreicherung im Grünland für einen veränderungswilligen Landwirt praktikabel, zielorientiert und kosteneffizient umzusetzen ist.  

Wissen und Erfahrung zur Wiederherstellung von artenreichem Grünland sind jedoch gering. Das Netzwerk Blühende Landschaft und die elobau Stiftung aus Leutkirch im Allgäu nehmen sich mit dem Projekt Buntes Grünland dieses Defizits an. Gemeinsam entwickeln und erproben wir auf einer 3,3 ha großen Versuchsparzelle bei Leutkirch im Allgäu praxisorientierte Handlungsempfehlungen für die Wiederherstellung von artenreichen Grünlandbeständen aus Intensiv-Grünland. Ziel ist die Entwicklung und Veröffentlichung eines Handlungsleitfadens für Landwirte und andere Flächennutzer. Dieser Leitfaden soll die verschiedenen Vorgehensweisen, Kosten sowie deren Erfolgswahrscheinlichkeiten der Wiederherstellung artenreicher Wiesen vergleichend beschreiben.

Versuchswiese mit Parzelle unterschiedlicher Maßnahmen bei Leutkirch im Allgäu. Rechts daneben: weiterhin intensiv genutzte Wiese mit derselben Feldhistorie zum direkten Vergleich. (Foto:Thomas Wimmer)

Arten-Monitoring bewertet neu geschaffenen Lebensraum

Im 2-jährigen Turnus führen wir ein Arten-Monitoring durch. Hierbei wird die angestoßene floristische Aufwertung der Grünlandflächen erfasst und deren ökologische Veränderungen dokumentiert und bewertet. Dies dient vor allem der Erfolgskontrolle und Erfolgsbewertung der durchgeführten Maßnahmen. Neben einer floristisch-vegetationskundlichen und strukturellen Untersuchung der Vegetation wird ein Insekten-Monitoring (Tagfalter und Heuschrecken) durchgeführt.   

Uns interessieren vor allem folgende Punkte:  

  • Wie wahrscheinlich treten gewünschten Veränderungen auf?
  • Wie schnell verändert sich die floristische sowie strukturelle Zusammensetzung der Fläche insbesondere in den nur teilweise behandelten Parzellen?
  • Welchen Erfolg haben die Aufwertungsmaßnahmen und welche Handlungsempfehlungen lassen sich daraus ableiten?
  • Welche Bedeutung hat das floristisch aufgewertete Grünland als Lebensraum für Tiere?
  • Welchen Wert hat dieses Grünland für die Erhaltung der Biodiversität?  
  • Welche Investitionskosten muss ein Landwirt in den verschiedenen Aufwertungsszenarien tragen?
  • Wie lange dauert es, bis eine artenreiche und auch im landwirtschaftlichen Sinne wieder produktive Heuwiese entstanden ist?

Tagfalter, wie z. B. der Komma-Dickkopffalter, sind Lebensraum-Spezialisten und benötigen neben spezieller Wirtspflanzen für ihre Raupen auch bestimmte magere Vegetationsstrukturen. Artenreiche Heuwiesen und Magerrasen bieten Lebens- und Nahrungsraum. (H. Loritz)

Bereits nach 2 Jahren sehr ermutigende Ergebnisse der Heuwiesen-Wiederherstellung durch unerwartet schnelle Entwicklung!

Häufigste Tagfalterarten auf der Projektfläche: Hauhechelbläuling, Weißklee-Gelbling, Rotklee-Bläuling Fotos: H. Loritz
  1. Floristische Aufwertung gelungen: beide Methoden zur Artenanreicherung sehr erfolgreich, Artenanzahl deutlich erhöht. Extensive Wiesennutzung ohne Düngung seit 2018 und neue Arten entwickeln eine vielfältige Vegetationsstruktur.
  1. Trotzdem bisher hohe Ernteerträge von ca. 4,15 t Heu und 0,39 t Grascobs pro Hektar und Jahr mit sehr guter Qualität.
  1. Artenzahl der graslandtypischen Schmetterlinge verdoppelt, Anzahl der Individuen vervierfacht!
  1. Zwei neue Arten der Heuschrecken erhöht Artenzahl um 25 % auf nun acht Arten, Individuendichten stabil bis leichte Abnahme.
  1. Schon nachweislich erste Neubesiedelungen heuwiesentypischer Insektenarten aus der Umgebung: Schachbrettfalter und Feldgrille
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Kurzes Filmportrait des Projektes „Buntes Grünland“ und Chronik des Projektverlaufes 2018 bis 2019  

Erprobungs- und Entwicklungsprojekt (E&E) von 2018-2022: Wiederherstellung artenreichen Grünlands

Wissen und Erfahrung zur Wiederherstellung von artenreichem Grünland sind kaum vorhanden. Das Netzwerk Blühende Landschaft und die elobau Stiftung aus Leutkirch im Allgäu nehmen sich dieses Defizits an und entwickeln und erproben auf einer 3,3 ha großen Versuchsparzelle bei Leutkirch im Allgäu praxisorientierte Handlungsempfehlungen für die Wiederherstellung von artenreichen Grünlandbeständen aus Intensiv-Grünland. Dabei haben wir vor Ort junge Demeter-Landwirte als Partner gewinnen können, die die Bewirtschaftung nach unseren Vorgaben umsetzen und den Aufwuchs der Wiesen im landwirtschaftlichen Betrieb nutzen.  

Ziel ist die Entwicklung und Veröffentlichung eines Handlungsleitfadens für Landwirte und andere Flächennutzer, der verschiedene Vorgehensweisen, Kosten und deren Erfolgswahrscheinlichkeiten der Wiederherstellung artenreicher Wiesen vergleichend beschreibt.  Zusätzlich wird über ein Monitoring der Vegetation und der vorkommenden Insekten (Tagfalter, Heuschrecken) die Qualität des neu entstandenen Lebensraums Heuwiese bewertet und überwacht.

Lage und Aufbau des Experimentes

Der Versuch findet auf einer fast viereckigen Fläche von 3,3 ha Grünland nahe Leutkirch-Balterazhofen statt. In den letzten Jahren wurde die Wiese intensiv mit sechs Mähintervallen pro Jahr plus mehrmaliger Düngergabe (v.a. Gülle) bewirtschaftet.  

Auf dieser Fläche wurden im Frühjahr 2018 zwei Methoden der Grünlandaufwertung auf insgesamt zwölf Teilparzellen exemplarisch durchgeführt. Die verschiedenen Parzellen wurden graduell variierend mit neuen Arten beimpft und unterschiedlich gemäht. Die Behandlung reicht von einem Aufwertungsanteil von 15% bis 100%. Die Artenanreicherung wurde zum einen mit handelsüblichen autochthonem Saatgut (Fettwiese von Rieger-Hofmann GmbH) und zum anderen mit Mähgut-Übertragung [Glossar: Mähgut-Übertragung] von zwei nahe gelegenen artenreichen Spenderwiesen durchgeführt.  

Pflegeschnitte des Alt- und Neubestandes wurden im Jahr 2018 nach Bedarf durchgeführt. Grundsätzlich sind drei Mahdtermine für die eine Hälfte der Fläche und zwei Mahdtermine für die andere Hälfte vorgesehen.

Blick auf die Versuchsparzellen von Norden im Juni 2018. Im Vordergrund die bereits eingesäten zweimal vier Parzellen (von rechts vorne nach links hinten: 30 %, 15 %, 100 %, 50 %; danach Mähgut-Übertragungsflächen zum Fotozeitpunkt noch nicht erfolgt: 30 %, intensiv Striegeln). (Foto: Thomas Wimmer)

Bis artenreiches Grünland wieder alle Ökosystem-Funktionen halbwegs stabil erfüllt, vergehen mindestens 1-2 Jahrzehnte.

Artenreichtum braucht Zeit

Während man artenreiche Heuwiesen innerhalb zwei Jahren in artenarmes Grünland „überführen“ (sprich: zerstören) kann, dauert die Etablierung oder Wiederherstellung artenreicher Grünlandbestände je nach Standort mehrere bis viele Jahre. Unser Versuch ist auf 5-10 Jahre angelegt. Bis artenreiches Grünland wieder alle Ökosystem-Funktionen halbwegs stabil erfüllt, vergehen mindestens 1-2 Jahrzehnte.

Artenreiche Wiesen und Weiden – der Regenwald Mitteleuropas

Warum artenreiche Wiesen?

Partner im Projekt

Das Projekt “Buntes Grünland” ist ein gemeinsames Vorhaben des NBL und der elobau-Stiftung aus Leutkirch. Die Stiftung engagiert sich in den Themenbereichen Bildung & Entwicklung, Integration & Gemeinschaft sowie Umwelt & Nachhaltigkeit. Die Zusammenarbeit mit der elobau Stiftung besteht in unserem gemeinsamen Projekt vor allem in einem intensiven Austausch zu einem gesellschaftlichen Veränderungsprozess und aktiver Zusammenwirken auf der Wiese, bei Veranstaltungen und in der Öffentlichkeitsarbeit. Daneben finanziert die elobau Stiftung die Umsetzungsmaßnahmen.

In weiterer Zusammenarbeit ermöglicht die Stöckmann-Stiftung die Durchführung des Monitorings der Artengruppen Pflanzen/Vegetation, Tagfalter und Heuschrecken im zweijährigen Turnus von 2018-2022.

Von Grün zu Bunt

Erfahrungsbericht der NBL-Regionalgruppe Tübingen über die Reaktivierung einer Blumenwiese

Die Regionalgruppe Tübingen mit Dr. Manuel Haus und Dr. Sybille Hartmann

Unsere NBL-Regionalgruppe Tübingen, vertreten durch Dr. Sybille Hartmann und Dr. Manuel Haus, beschäftigt sich schon 20 Jahre mit dem Thema Blumenwiese, bzw. deren Anlage und Pflege. Ihre langjährigen Erfahrungen zur Renaturierung einer artenarmen, grünen Wiesen zu einer artenreicheren Blumenwiese haben sie uns und Ihnen in einer Zusammenstellung zur Verfügung gestellt. Weitere Hinweise zur Regionalgruppe Tübingen finden Sie auch auf unserer Homepage unter der Rubrik “Über uns” / Regionalgruppen finden / Regionalgruppe Tübingen” .

Kostenlos abgerufen von: https://bluehende-landschaft.de/projekte/buntes-grunland-vom-grasacker-zur-blumenwiese