Nützlingsstreifen in der Landwirtschaft senken Pestizidverbrauch
Funktionelle Biodiversität geht weit über die Bestäubung hinaus!
Das Netzwerk Blühende Landschaft setzt sich schon seit 2003 dafür ein, dass wir in allen Landschaftsteilen wieder mehr Blütenfülle erreichen. Damit wollen wir Bienen, Hummeln & Co. sowohl Nektar und Pollen als Nahrung wie auch Lebensräume anbieten.
Gleichzeitig bemühen wir uns, unsere heimischen Insekten vor den für sie so gefährlichen Insektiziden zu schützen. Ein Weg ist dabei natürlich der Ökolandbau, der auf synthetische Agrochemie verzichtet. Unser Wunsch ist jedoch, dass auf allen landwirtschaftlichen Betrieben und Flächen – mit Bio-Zertifikat oder ohne – der Einsatz von Pflanzenschutzmittel auf natürliche Weise reduziert wird.
Also: Pflanzenschutzmittel vermeiden
Eine maximale Reduktion von Pestiziden, insbesondere von Insektiziden, ist notwendig, weil:
- Substanzen, die Schadinsekten töten, können für andere Insekten wie Wildbienen, Schmetterlinge & Co. niemals gänzlich ungefährlich sein.
- Viele Pflanzenschutzmittel werden nach ihrer Ausbringung oberflächlich abgeschwemmt, verdriften im Sprühnebel in benachbarte Gebiete, gelangen über Wurzeln, Stängel und Blüten in den Nektar von Pflanzen oder sie sickern ins Grundwasser ab.
- Es gibt zwar Grenzwerte für die menschliche Unbedenklichkeit von Pflanzenschutzmitteln, diese sind aber wegen der kurzen Erfahrungswerte sehr kritisch zu hinterfragen. Von einigen Pflanzenschutzmitteln ist bekannt, dass sie auf uns Menschen hormonähnliche Wirkungen haben.
- Die Pflanzenschutzmittel in erster Linie anhand der Tödlichkeit für sogenannte nicht-Ziel-Organismen (wie unsere Bienen) zugelassen werden. Die Stoffe haben aber schon lange, bevor sie tödlich wirken, einen negativen Einfluss auf die Gesundheit und Widerstandskraft der Insekten.
Unser Ziel ist es deshalb, Pflanzenschutzmittel wo immer möglich zu reduzieren und am besten ganz zu vermeiden.
Schädlinge
In die menschengemachte Kategorie “Schädlinge” werden Lebewesen eingestuft, die insbesondere im Anbau von Nahrungs- und Zierpflanzen große Fraßschäden anrichten können. Bei einem gestörten Gleichgewicht in einer verarmten Landschaft haben sie es of leicht, weil ihre Feinde fehlen. Ihr Massenaufkommen wird meist mit Insektiziden bekämpft.
Nützlinge
Jedes Lebewesen erfüllt seinen Zweck in der Natur, aber die, die für unsere Zwecke nützlich sind, werden als “Nützlinge” bezeichnet. Wie viele Schädlinge sind auch sie oft Insekten, weshalb sie ebenfalls unter den Insektiziden leiden bzw. daran sterben. Die Folge: nächstes Jahr noch mehr Schädlinge!
alle profitieren
Eine blühende und reich strukturierte Landschaft stellt nicht nur ein gesundes Vorkommen an Nützlingen sicher, sondern bietet auch Lebensraum und Nahrung für viele weitere Insekten, die dann bestäuben (und dadurch ebenfalls Nützlinge sind), zersetzen, als Futter dienen und vieles mehr!
Die Insekten helfen sich selbst!
“Nützlinge” fressen “Schädlinge” im Gleichgewicht der Natur – also lasst uns die Nützlinge fördern!
Nützlinge wie Schwebfliegen, Florfliegen, Marienkäfer, Ohrenzwicker und viele weitere sind dafür bekannt, dass sie und ihre Larven mit Vorliebe genau die Schädlinge fressen, die unsere angebauten Lebensmittel bedrohen. Das ist in früheren Zeiten von ganz allein passiert, weil es in einer reich strukturierten Landschaft immer Rückzugsorte für diese nützlichen Helfer gab. In der heutigen, ausgeräumten Landschaft mit industrialisierter Landwirtschaft ist das aber nicht mehr der Fall. Nicht genügend Nützlinge heißt: leichtes Spiel für Schädlinge. Diese vermehren sich dann massenhaft, machen sich über die Äcker und Felder her und werden in der Folge mit Pestiziden bekämpft. Eine Negativspirale hat begonnen.
Der Ausweg aus der Negativspirale: Nützlingsförderung
Statt künstlich gezüchtete Nützlinge aus dem Labor in die Natur auszusetzen wollen wir lieber wieder die heimischen und regional angepassten Nützlinge fördern. Dazu bieten wir ihnen Lebensräume, in denen sie sich vermehren können und Nahrung finden: sogenannte Nützlingsstreifen. Die Nützlinge vermehren sich in den bunt blühenden Streifen und stehen parat, wenn sich ein Schädlingsbefall anbahnt. Schädlinge können sich so gar nicht erst groß vermehren, die sogenannte Schadschwelle wird nicht erreicht. Ohne Erreichen der Schadschwelle können Landwirt und Gärtner sich und den Insekten den Pestizideinsatz schlicht ersparen.
Drei (Schweb-)Fliegen mit einer Klappe!
Nützlingsstreifen erfüllen gleich drei Funktionen, die uns auf dem Weg zu einer blühenden Landschaft unterstützen:
• Sie schaffen Nahrung und Lebensraum für Blütenbesucher
• Sie verringern die Sterberate von Insekten durch weniger Insektizide
• Sie ersparen dem Landwirt den Kaufpreis der Insektizide. Das Geld bleibt in der Landwirtschaft und fließt nicht in die chemische Industrie ab.
Das Projekt Blüte-Biene-Nützling
Das Netzwerk Blühende Landschaft schafft mit seinen Partnern aktiv Nützlingsstreifen
Im konkreten Projekt Blüte-Biene-Nützling haben wir seit dem Jahr 2018 gemeinsam mit knapp dreißig Landwirten Nützlingsstreifen auf ihren Kartoffeläckern und an ihren Gemüsefeldern angelegt. Die meisten Streifen wurden mit den beiden unten genannten Saatgutmischungen angelegt. An manchen Kulturen haben wir aber auch mit speziellere Samenmischungen verwendet, z.B. eine Rebzeilmischung in einer Apfel-Hochstammanlage.
Seit 2019 gehen wir einen Schritt weiter und setzen mit unseren Partnern maßgeschneiderte Pflanzenmischungen ein. Diese werden auf die Anbaukultur zugeschnitten. Denn jede Kultur hat ihr eigenes Spektrum an Schadinsekten. Und dazu passt ein spezielles Spektrum an Nützlingen, die wiederum ihre bevorzugten Pflanzen als Lebensraum und Kinderstube haben.
Saatgutmischung “Blühende Landschaft”
Der Allrounder, um schnell Artenvielfalt auf dem Acker zu etablieren
Die Saatgutmischung “Blühende Landschaft” kommt im Projekt als mehrjährige Mischung zum Einsatz. Sie ist nicht nur für Bienen, Hummeln & Co. eine tolle Nahrungsquelle, sondern enthält auch viele nützlingsfördernde Pflanzenarten.
Mehrjährige Nützlingsstreifen sind besonders sinnvoll, da sich hier Nützlingspopulationen über mehrere Jahre aufbauen können.
Saatgutmischung nach Tschumi et al. (2016)
Wirksamkeit wissenschaftlich bestätigt!
Manchmal sind nur einjährige Nützlingsstreifen sinnvoll machbar, z.B. wegen kurzen Kulturen oder wegen der Pachtsituation. Hier setzen wir die gleiche Mischung wie ein wie sie in einer wissenschaftlichen Studie des schweizer Instituts Agroscope verwendet wurde. Matthias Tschumi hat in diesem Institut bereits 2016 die mögliche Reduktion von Insektiziden mit Nützlingsstreifen wissenschaftlich belegt.
ALDI SÜD fördert das Projekt Blüte-Biene-Nützling
Die Durchführung des NBL-Projekts „Blüte-Biene-Nützling“ wird von ALDI SÜD gefördert. ALDI SÜD ist bestrebt, Insektizide in seiner Lieferkette zu verringern. So hat ALDI SÜD bereits 2016 acht Neonicotinoide aus seiner Lieferkette für Obst und Gemüse verbannt – lange bevor Bundesregierung und EU diese gefährlichen Substanzen verboten haben.
Das Thema Nützlingsstreifen ist für ALDI SÜD ein Baustein in der Vermeidung von Pflanzenschutzmitteln bei der Erzeugung von Lebensmitteln. Das Netzwerk Blühende Landschaft sieht in dieser Partnerschaft nach eingängiger Prüfung eine große Chance, Insektenschutz auf großen Flächen umzusetzen. Gerade ALDI SÜD als Discounter kann so einen Beitrag leisten und demonstrieren, dass mehr Insektenschutz unter normalen landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen machbar ist.
Häufig gestellte Fragen
Es fallen grundsätzlich zwei Arten von Kosten an: die Anschaffung des Saatguts und die Maschinenkosten bei der Anlage. Die konkreten Kosten variieren von Betrieb zu Betrieb. Die Anlage eines Nützlingsstreifens am Ackerrand ist grundsätzlich einfacher zu bewerkstelligen als die Anlage von Nützlingsstreifen mitten im Acker. Letztere sind dafür effektiver in der Schädlingsbekämpfung, da Nützlinge es ganz leicht haben, in die Kultur überzuwandern.
Die Saatgutkosten variieren ebenfalls. Grundsätzlich sind viele Saatgutmischungen geeignet, Nützlingen eine Heimat zu bieten, z.B. auch unsere Mischung „Blühende Landschaft“ [Link zur Blühenden Landschaft auf der Saatgut-Seite], die sehr kostengünstig ist. Auch viele förderungsfähige Mischungen aus den Agrarumweltprogrammen der Länder [Glossar: Agrarumweltprogramme sind Bestandteile der Agrarsubventionen der Bundesländer. Damit werden unter anderem naturschonende Maßnahmen wie Blühflächen und extensive Grünlandbewirtschaftung gefördert. Jedes Bundesland gestaltet sein Agrarumweltprogramm selbst.] sind dafür grundsätzlich geeignet. Wer eine besonders zielgerichtete Schädlingsbekämpfung erreichen will, der kann sich zu maßgeschneiderten Nützlingsmischungen beraten lassen, deren Zusammensetzung und Kosten sich ganz nach der zu schützenden Anbaukultur richten.
Das ist die zentrale Frage. Obwohl es seit den 1990er-Jahren Initiativen gibt, die Nützlingsstreifen sehr erfolgreich praktizieren, sind sie nicht Gegenstand landwirtschaftlicher Aus- und Weiterbildung. Das Thema ist in der landwirtschaftlichen Diskussion schlicht nicht präsent. Nicht alle derzeit an der landwirtschaftlichen Wertschöpfung Beteiligten Gruppen sind daran interessiert, den Insektizideinsatz und damit den Absatz von Pflanzenschutzmitteln zu senken, denn mit diesen Agrarchemikalien wird sehr viel Geld verdient. Dementsprechend wirken große Kräfte auf die Politik ein, die das Thema Nützlingsstreifen gerne weiterhin unterrepräsentiert halten wollen.
Das Netzwerk Blühende Landschaft und seine Partner schätzen Pflanzenschutzmittel maximal als letztes Mittel ein, einen Schaden an der Ernte zu verhindern. Das Prinzip heißt: Vermeiden und Einsparen.
Diese Thematik ist ernst zu nehmen und wird im Prinzip für jede Art von Blühstreifen in der Landwirtschaft diskutiert. Tatsächlich kann die Anwendung von Insektiziden in dem direkt an den Nützlingsstreifen angrenzenden Bereich des Ackers zu einer Abdrift führen, die gefährliche Substanzen dann in den Blühstreifen bringt und dort Insekten gefährdet. Deshalb ist bei der einem (im konkreten Fall/Betrieb unvermeidbaren) Pflanzenschutzmitteleinsatz besonders auf Sorgfalt zu achten. So sollte man bei der Applikation auf Windgeschwindigkeit und Windrichtung achten, einen Sicherheitsabstand zum Nützlingsstreifen einhalten und sogenannte „Cut-Off-Düsen“ einsetzen. Selbst dann kann man nicht ausschließen, dass einzelne Insekten geschädigt werden. Allerdings muss man bei aller Vorsicht aufpassen, dass man nicht eine große Möglichkeit für eine Wiederausbreitung von Insekten verpasst. Seit der Krefeld-Studie 2017 wissen wir, dass wir es schon mit einem Insektennotstand zu tun haben. Die Zeit für Diskussionen darum, welche Maßnahmen zum Insektenschutz ergriffen werden müssen, sind schon lange vorbei. In dieser Situation müssen wir alles daran setzen, Insekten in allen Teilen der Kulturlandschaft zu fördern und schlicht alle sich bietenden Möglichkeiten nutzen, damit sich Insekten wieder vermehren und ausbreiten können.