Was Erwerbsgärtner zur Versorgung Blüten besuchender Insekten tun können
Es ist unbestritten, dass Blüten bestäubende Insekten wie Bienen, Schwebfliegen und Wespen vermehrt Nektar- und Pollenquellen brauchen, um zu überleben und um ihre wertvollen Bestäubungsdienste an Kultur- und Wildpflanzen ausführen zu können. Auch im Erwerbsgemüsebau gibt es Möglichkeiten, das Nektar- und Pollenangebot zu verbessern und damit nicht nur Blütenbestäuber, sondern sogar Nützlinge zur Schädlingsregulierung zu fördern. Gerade für ökologisch wirtschaftende Betriebe ist das Vorhandensein von Nützlingen von besonderer Bedeutung.
Einfach umzusetzende Maßnahmen
Eine einfach umzusetzende Maßnahme mit zeitlich begrenztem Blütenangebot ist z.B. der Anbau von Fruchtgemüse, wie Kürbis, Zucchini, Melone, Tomate oder Feuerbohnen. Diese Gemüse haben sozusagen einen Doppelnutzen: als Marktfrucht und als Insektennahrung. Auch das Ausblühen lassen einer Kultur, z.B. von Kräutern wie Rucola, Schnittlauch, Dill oder Koriander ist leicht umsetzbar, sofern aus phytosanitärer Sicht nichts dagegen spricht. Eine Augen- und Insektenweide können auch einzelne Reihen mit einjährigen Sommerblumen sein, was vor allem für Betriebe mit Ab Hof-Verkauf geschäfts- und imagefördernd sein kann.
Blühende Zwischenfrüchte
Blühende Zwischenfrüchte im Sommer haben gleich mehrfachen Nutzen: Insekten freuen sich über das Nahrungsangebot, Gemüsebauer schätzen die positiven Wirkungen der Zwischenfrüchte in Bezug auf Unkrautunterdrückung, Förderung des Bodenlebens, Schutz vor Bodenerosion und Nährstofffixierung. Blühende Zwischenfrüchte für den Gemüsebau sind z.B. Phacelia, Buchweizen, Sonnenblume und Leguminosen wie Ackerbohnen, Alexandrinerklee, Perserklee, Weißklee. Es gilt: Je früher gesät, desto besser (spätestens Mitte Juli bis Mitte August) und Gemenge sind vielseitiger und in Hinblick auf das Blütenangebot für verschiedenen Insektengruppen empfehlenswerter als Reinkulturen.
Einjährige Blühstreifen
Am wirkungsvollsten für Insekten sind Nahrungsangebote über die ganze Saison hinweg, vom Frühjahr bis zum Herbst. Dafür eignen sich einjährige Blühmischungen, die flächig oder in Reihenkultur ab dem Frühjahr ausgesät werden. Eine Aussaat in Reihenkultur ermöglicht eine Unkrautregulierung zwischen den Aussaatreihen, bis sich der Bestand geschlossen hat. Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Blühmischungen im Saatguthandel, die sich u.a. in der Artenzusammensetzung und der Dauer des Blühaspektes unterscheiden. Manche Mischungen haben nur einen relativ kurzen Blühaspekt von einigen Wochen. In diesem Fall empfiehlt z.B. der Versuchsbetrieb für ökologischen Gemüsebau in Bamberg den satzweisen Anbau dieser Blühmischungen, um Bestäuber über die ganze Saison mit Nektar und Pollen zu versorgen (erster Satz: Aussaat Ende April bis Anfang Mai, zweiter Satz: Aussaat Anfang Juni). Nach den Erfahrungen aus Bamberg lassen sich Honigbienen gut mit den Blühmischungen „Insektenbüffet“ von Bingenheimer Saatgut AG, „Riegers Feldblumenmischung“ von Rieger-Hofmann und der „Veitshöchheimer Bienenweide“ von Saaten Zeller versorgen (die „Veitshöchheimer Bienenweide“ ist eigentlich eine mehrjährige Mischung, wird dort aber nur einjährig angebaut). Erfahrungsgemäß entwickeln sich Blühmischungen von Standort zu Standort sehr unterschiedlich. Am besten ist es daher, verschiedene Blühmischungen auszuprobieren und Erfahrungen für den eigenen Standort zu sammeln.
Funktionelle Blühstreifen
Zum Bild: Schwebfliege (Episyrphus balteatus )auf Kornblume
Adulte Schwebfliegen ernähren sich von Nektar und Schwebfliegenlarven vertilgen Blattläuse. Kornblumen bieten Nektar aus Saftdrüsen in und außerhalb der Blüten und werden u.a. von Schwebfliegen bestäubt.
Foto: H. Luka, FIBL-CH
Mit Blühstreifen lassen sich nicht nur Blüten bestäubende Insekten sondern auch Nützlinge wie Marienkäfer, Laufkäfer, Spinnen, Schwebfliegen und Florfliegen fördern, die Schadinsekten an Kulturpflanzen in Schach halten können. So wird seit einigen Jahren an „maßgeschneiderten Blühmischungen“ geforscht, die nützliche Insekten mit Nahrung versorgen sollen, damit sie dann in den angrenzenden Kulturpflanzenbeständen Schadinsekten fressen oder parasitieren. Für folgende Kulturen werden derzeit solche funktionellen Blühmischungen und Anbauverfahren untersucht und in der Praxis erprobt: Kohl, Winterweizen, Kartoffeln, Bio-Obst.
Der Einsatz von funktionellen Blühstreifen im Kohlanbau ist besonders lohnend, denn durch die lange Kulturdauer kann sich eine wirksame Nützlingspopulation aufbauen. Das Team um Prof. Dr. Henryk Luka vom FIBL/Schweiz erforschte einen zweiteiligen Ansatz zur Regulierung der Kohleule: Zum einen wird eine einjährige Blühstreifenmischung empfohlen, bestehend aus Futterwicke, Buchweizen, Kornblume und Klatschmohn. Diese und zwei weitere „Nützlingsmischungen“ sind im Schweizer Saatguthandel erhältlich (UFA- Samen Winterthur). Zum anderen zeigten die Versuche, dass sich eine Beipflanzung von Kornblumen zu den Kohlpflanzen positiv auf den Fraß von Kohleuleneiern und die Parasitierung der Larven auswirkte. Die Forschung und Praxiserprobung wird weitergeführt und weiterentwickelt; derzeit für Kohlweißling und Brackwespe.
Kornblume als Beipflanzung zu Weißkohl Foto H. Luka FIBL-CH
Das Team um Dr. Rainer Meyhöfer an der Leibniz Universität Hannover entwickelte im Rahmen eines Projektes eine Blühmischung „Hannover Mischung“ aus neun einjährigen Pflanzenarten (Steinkraut, Buchweizen, Dill, Kornblume, Perserklee, Koriander, Phacelia, Lein, Ringelblume). Sie blüht von April bis November mit hoher Blütendichte und wirkt sehr attraktiv auf Nützlinge, um Mottenschildläuse (z.B. Weiße Fliege), Röhrenblattläuse oder Weißlinge (z.B. Kleiner Kohlweißling) zu regulieren. Weitere besondere Kriterien bei der Entwicklung der Mischung waren geringe Attraktivität gegenüber Schadinsekten, Konkurrenzfähigkeit gegenüber Unkräutern sowie ein günstiger Preis. Sie ist in Niedersachsen im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen förderfähig und nach Absprache mit der Unteren Naturschutzbehörde auf Anfrage bei Appels Wilde Samen Heidelberg erhältlich.
Funktionelle Blühstreifen sind besonders für den ökologischen Anbau von Bedeutung, da dort keine chemisch- synthetischen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen. Aber auch im konventionellen Anbau werden Böden, Umwelt und Geldbeutel geschont, wenn kein oder ein geringerer Insektizideinsatz nötig ist. Die Ergebnisse der verschiedenen Versuche mit maßgeschneiderten Blühstreifenmischungen sind vielversprechend, denn es liegt nahe, dass sie sich auch auf andere Kulturen übertragen lassen. Zudem tragen sie zur nachhaltigen Verbesserung der Biodiversität in unserer Kulturlandschaft bei.
Diese positiven Effekte können auf Dauer aber nur aufrechterhalten werden, wenn angrenzende Ackerflächen nützlingsschonend bewirtschaftet werden (z.B. durch bedachten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder durch insektenschonendes Mähmanagement auf dem umliegenden Grünland. Zudem brauchen Nützlinge wie auch Blüten bestäubende Insekten neben den Nektar- und Pollenquellen dauerhafte Lebens- und Überwinterungsstrukturen innerhalb ihres Flugradius (100-300 m). Solche Strukturen sind z.B. mehrjährige Blühflächen, ausdauernde Säume, Hecken sowie artenreiche, extensiv genutzte Wiesen.
Anlagehinweise für funktionelle Blühstreifen
Blühstreifen zwischen Möhren
Die Wirkung von Blühstreifen ist bei einer Anlage in der Feldmitte besonders hoch. Das hat auch den großen Vorteil, dass Schnecken nicht so leicht aus angrenzenden Flächen (z.B. Wiesen) einwandern können.
Foto: Regionalmanagement Edenkoben, Herxheim, Offenbach
Für die Anlage von nützlingsfördernden Blühstreifen sind in der Regel alle Böden geeignet, abgesehen von verdichteten und vernässten Flächen, schattigen Standorten oder Standorten mit hohem Unkrautdruck. Blühflächen oder Flächen, die brach überwintert haben, sind wegen des Durchwuchses als Vorkulturen ungünstig. Wenn möglich, sollte die erste Grundbodenbearbeitung 6-8 Wochen vor der Saat erfolgen. Bei Unkrautaufkommen wird ein mehrmaliges flaches Eggen empfohlen. Das Saatbett sollte vor der Saat mindestens drei Wochen Zeit zum Absetzen haben. Wildkräuter in den Mischungen keimen deutlich besser, wenn auf Totalherbizide vor der Saat verzichtet wird. Eine günstige Aussaatzeit ist Ende April/ Anfang Mai. Gesät wird breitwürfig von Hand, mit der Maschine (Saatgut nicht eindrillen!) oder als Reihensaat (Bei Reihensaat ist nochmals ein Hackvorgang möglich). Das Saatgut wird nicht eingearbeitet und sollte unbedingt nach der Saat angewalzt werden (Rauwalzen eignen sich besser als Glattwalzen, v.a. wenn der Boden leicht feucht ist). Regen nach der Saat begünstigt die Keimung
Nur bei sehr hohem Unkrautdruck ist ein Säuberungsschnitt durchzuführen, der nicht tiefer als 10 cm erfolgen sollte und spätestens dann, wenn sich der Pflanzenbestand zu schließen beginnt. Zu beachten ist, dass der Blütezeitpunkt vieler Pflanzen in der Mischung durch einen Säuberungsschnitt verschoben wird und manche Arten unter Umständen kein zweites Mal zur Blüte kommen. Wenn viel Pflanzenmasse beim Schnitt anfällt, sollte sie abgeführt werden. Der Blühstreifen kann je nach Folgekultur bis in den Frühling des nächsten Jahres stehen gelassen werden.
Mehrjährige Blühflächen im Erwerbsgemüsebau
Vor allem mehrjährige Blühflächen haben allgemein einen hohen ökologischen Wert. Sie bieten nicht nur Nahrung vom Frühjahr bis zum Herbst sondern auch dauerhafte Rückzugs-, Brut- und Überwinterungsstrukturen für Insekten, Vögel- und Wildtiere. Dies ist in ausgeräumten Agrarlandschaften besonders notwendig.
Im Erwerbsgemüsebau stellen mehrjährige Blühflächen eine besondere Herausforderung dar. Die zur Verfügung stehende Anbaufläche ist meist begrenzter und die Feldnutzung intensiver als auf anderen landwirtschaftlichen Betrieben. Daher gibt es hier seltener geeignete Restflächen zur Anlage von mehrjährigen Blühstrukturen. Auch die mögliche Anreicherung von Beikrautsamen im Boden durch die mehrjährige Anlage schreckt viele Betriebsleiter vor allem im ökologischen Anbau ab. Vielleicht lässt sich aber doch in dem einen oder anderen Fall ein „Zwickl“ finden oder Flächen, die 3-5 Jahre aus dem intensiven Anbau herausgenommen werden können, um nachhaltige Lebensräume für Bestäuber und Nützlinge zu schaffen. Mehrjährige Blühstreifen können auf Ökobetrieben zum Beispiel auch als Grenzstruktur zu konventionellen Flächen angelegt werden.
Quellen
AGRIDEA (2015): Blühstreifen für Bestäuber und andere Nützlinge – Wertvolle Nahrungsquellen im Ackerbau, Merkblatt 2616 (siehe www.agridea.ch/shop)
Hintermann & Weber AG (2016): Blühende Lebensräume fördern die Biodiversität und die biologische Schädlingskontrolle in der Landwirtschaft; Forschungspreis 2016; http://www.hintermannweber.ch/forschungspreis/preis2016_sum, Zugriff 24.02.2017
Luka, H. (2012): Funktionelle Agro-Biodiversität – Nützlinge statt Pestizide gegen Schädlinge im Gemüsebau http://www.fibl.org/de/schweiz/forschung/nutzpflanzenwissenschaften/pb-projekte/funktionelle-biodiversitaet.html, Zugriff 24.02.2017
Luka, H. et al (2016): Blühstreifen regulieren Schädlinge im Gemüsebau und werten Kulturlandschaft ökologisch auf; Agrarforschung Schweiz 7(6); 268-275
Pfiffner, L. (2016): Funktionelle Agro-Biodiversität zur Aufwertung von Bioapfelanlagen – EcoOrchard – ein EU-CORE Organic Plus Projekt http://www.fibl.org/de/schweiz/forschung/nutzpflanzenwissenschaften/pb-projekte/eco-orchard.html, Zugriff 24.02.2017
Rascher, B. Schubert, W.(2014): Versuche im deutschen Gartenbau 2014, Ökologischer Gartenbau, Satzweiser Anbau von Blütenmischungen nötig, um Bienen und Nützlinge über die ganze Wachstumsperiode, Veröffentlichung des Versuchsbetriebs für ökologischen Gemüsebau Bamberg der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau
Sartisohn, A. (2017): Gezielte Nützlingsförderung im Freiland durch Anlage von maßgeschneiderten Blühstreifen, DBU-AZ: 30234, 2. Zwischenbericht
Tschumi et al. (2016): Nützlingsblühstreifen für den Ackerbau reduzieren Schädlinge in Kulturen, Agrarforschung Schweiz 7 (6), 260-267
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