Natürlich vielfältiges und ausgiebiges Blütenangebot durch Ackerwildkräuter

Vor wenigen Jahrzehnten waren Getreideäcker mit roten, blauen, gelben und weißen Tupfern ein gewohnter Anblick in den Ackerbauregionen. Im Zuge der Intensivierung in der Landwirtschaft verschwanden die als Unkräuter bezeichneten Wildpflanzen allmählich von den Flächen. Kaum eine Pflanzengesellschaft ist in den vergangenen Jahrzehnten so verarmt wie die Ackerwildkrautflora. Gezielte chemische Bekämpfung, verbesserte Saatgutreinigung und intensive Bodenbearbeitung führten zu diesem Ergebnis.

Extreme Standorte, an denen besonders angepasste Arten vorkamen, wurden überdüngt, drainiert oder saure Böden gekalkt und damit den dort typischen Arten die standortbedingten Lebensgrundlagen entzogen.

Heute steht jede zweite Art in mindestens einem Bundesland Deutschlands auf der Roten Liste und die Pflanzengesellschaften der Ackerwildkräuter gehören zu den am stärksten gefährdeten in Mitteleuropa. Dabei bietet die Erhaltung dieser Flora Vorteile für die Bodenfruchtbarkeit, beugt der Bodenerosion vor, gibt als Zeigerpflanzen Auskunft über den Bodenzustand und dient nicht zuletzt der biologischen Nützlingsförderung. Außerdem haben Landwirte hier die Chance aktiv an ihrem Naturschutz-Image zu feilen, da die Ackerwildkrautflora ausschließlich von ihrer Art der Bewirtschaftung im Ackerbau abhängig ist.

Klatschmohn,Papaver rhoeas
Klatschmohn (Foto: Linda Trein)

Ackerwildkräuter – die Königsklasse im Naturschutz auf Ackerflächen

Die Nennung von Ackerwildkräutern lässt bei Vielen die Alarmglocken läuten – Kratzdistel, Quecke, Kletten-Labkraut oder Weißer Gänsefuß werden als die modernen Acker-Plagen angesehen. Der Aufwuchs von Ackerwildkräutern wird meist sogleich als völlig unmöglich zurückgewiesen. Für den Landwirt muss es nicht notwendigerweise ein Wagnis darstellen, die natürliche Blütenvielfalt des Ackers zuzulassen.

Nur wenige Ackerwildkräuter werden zum Problem, die meisten Arten kann man leicht tolerieren, so z.B. Acker-Stiefmütterchen, Acker-Frauenmantel, Acker-Vergissmeinnicht, Acker-Gauchheil oder Ackerröte. Gerade diese regional typischen Pflanzen sind für viele Tiere, insbesondere Insekten, besonders wertvoll.
An diese natürliche Blütenvielfalt sind über 1200 Tierarten angepasst. So frisst z.B. die Raupe des Kleinen Perlmutterfalters ausschließlich an Acker-Stiefmütterchen, die solitäre Zweizellige Sandbiene ist auf Pollen einjähriger Kreuzblütler, wie z.B. Ackersenf, spezialisiert. 

Außerdem gibt es eine große Gruppe von seltenen Arten, die viele Menschen nicht mehr kennen und die somit fast vollständig aus unserem kulturellen Gedächtnis verschwunden sind. Dazu gehören z.B. Venuskamm, Echter Frauenspiegel, Feldrittersporn, Mäuseschwänzchen, Acker-Hahnenfuß oder Lämmersalat. Gedeihen diese Arten auf dem Acker, so blüht dort etwas ganz Besonderes, auf das man zu Recht stolz sein kann! 

Es gilt also zu beobachten, welche Wildkräuter auf dem Acker gedeihen, und abzuwägen, ob man diese durch unterstützende Maßnahmen fördern kann und will. Wichtig ist, dass ein Samenpotential der erwünschten Kräuter vorhanden ist, aber Problembeikräuter kaum oder gar nicht vorkommen. Deshalb sollte man zunächst auf kleinen Flächen mit natürlicher Begrünung experimentieren, um zu sehen, welches Potential der Acker und seine Umgebung aufweisen. Denn schließlich will man sich keine Probleme schaffen, indem man sich für die Blüten- und Artenvielfalt einsetzt. 

Wie setzt man Ackerwildkrautschutz um?

Weniger ist auch bei der Düngung manchmal mehr 

Viele der seltenen Ackerwildkräuter werden auf den gut gedüngten Flächen von den nährstoffliebenden, meist häufig auftretenden, Arten verdrängt. Will man also speziell die selteneren Arten bzw. die Artenvielfalt unter den Ackerwildkräutern fördern, so bietet sich die Anlage von wenig gedüngten Ackerwildkrautstreifen an.

  • Ackerwildkrautstreifen sollten eine Breite von mindestens 3 m bis 10 m haben. Sie werden genauso gepflügt und bestellt wie der Rest des Schlages, allerdings bei der Unkrautbekämpfung und Düngung ausgespart. Auf lange Sicht sollte gelegentlich eine geringe Düngung mit Mist oder Kompost erfolgen, sofern keine Leguminosen in der Fruchtfolge sind, um die Fruchtbarkeit des Bodens auch für den Ackerwildkrautbestand zu erhalten.
  • Der Streifen muss nicht notwendigerweise am Rand des Schlages liegen. Man kann mit derartigen Streifen z.B. auch große Schläge untergliedern. Vielleicht gibt es steinige Kuppen oder feuchte Senken, an denen der Ertrag ohnehin geringer ausfällt. Diese Stellen sind für seltene Wildkräuter oft besonders geeignet. Häufig kann man sich hier aufwändige Arbeit ersparen und gleichzeitig Positives für den Blütenreichtum und Artenvielfalt tun.

Oft bieten Agrar-Umweltprogramme finanzielle Unterstützung!

In vielen Bundesländern Deutschlands wird z.B. die Anlage von Ackerrandstreifen, ein- und mehrjährigen Blühstreifen und der Anbau von Zwischenfrüchten gefördert. Informationen erteilen die zuständigen Landwirtschaftsämter. Eine aktuelle Übersicht der Agrar-Umweltprogramme in den Bundesländern finden Sie auf der Webseite www.bluehende- landschaft.de in der Rubrik „Handlungsempfehlungen: Landwirtschaft“. 

Mut zur (Licht-)Lücke auf dem Acker 

Besonders mutige Landwirte können mit erhöhtem Lichteinfall auf dem Acker experimentieren. Ackerkulturen sind heute meist so dicht, dass kaum Licht auf den Boden fällt. Im Dunkeln können die Blütenpflanzen jedoch nicht gedeihen. Deshalb ist es nötig, lichtere Bestände zu schaffen, damit blühende Wildkräuter wachsen können. Verschiedene Möglichkeiten bieten sich für eine höhere Lichtdurchlässigkeit an: 

  • Beim Anbausystem „Weite Reihe“ wird der Reihenabstand im Getreide von 12,5 cm auf ca. 50 cm angehoben. Dadurch kann es zu Ertragseinbußen von 10–15% kommen. Allerdings haben Untersuchungen ergeben, dass sich im Gegenzug die Backqualität von Weizen verbessert und somit höhere Preise erzielt werden können. Sinn macht diese Maßnahme für die Wildkräuter nur, wenn nicht gleichzeitig intensiv gehackt oder eine Leguminosen-Untersaat ausgesät wird. Es ist also vorher zu überlegen, ob man sich auf erosionsgefährdeten Standorten befindet oder der Beikrautdruck so hoch werden kann, dass er zur Belastung wird. Landwirte kennen ihre Äcker meist so gut, dass sie wissen, welche Ecken beim Hacken evtl. ausgelassen werden können. 
  • Ähnliches kann man erreichen, indem man z.B. beim Säen jede zweite Drillschar schließt. Hier sind die Reihen dann nicht ganz so weit, aber dennoch kann mehr Licht auf den Boden fallen. Ist man unsicher, wie sich diese Maßnahme auswirkt, kann man sie zunächst auf einem Teil der Fläche ausprobieren und beobachten, welche Wildkräuter in den lichteren Gassen aufwachsen.
  • Reduzierte Saatstärken sorgen für insgesamt lichtere Bestände. Vorteil der Dünnsaat ist, dass die einzelnen Pflanzen kräftiger sind und die lockere Vegetation einem Pilzbefall vorbeugt. Im konventionellen Anbau erspart dies den Pestizideinsatz, im ökologischen Anbau erhöht sich die Ertragssicherheit. 
  • Fehlstellen sind kleine Bereiche, in denen beim Säen die Drillmaschine auf einigen Metern ausgehoben wird. Sie werden auch Feldlerchen-Fenster genannt, denn hier finden diese und andere Feldvögel geeignete Niststandorte. Auf diesen Kleinstbrachen entwickeln sich ebenso einjährige Wildkräuter, die reichlich Blüten für Insekten bilden und die gerne auch von Vögeln zur Nahrungssuche genutzt werden. 

Positive Wechselwirkungen mit Ackerfrüchten und Nützlingen 

Neben dem Beitrag zum Schutz der Artenvielfalt ergeben sich für Landwirte weitere positive Auswirkungen durch das Zulassen von Ackerwildkräutern. Da unsere Getreidearten seit ihrer Domestizierung vor ca. 10000 Jahren immer zusammen mit anderen Pflanzen – eben den Ackerwildkräutern – wuchsen, haben sich diese gemeinsam in einer Gesellschaft entwickelt, um die vorhandenen Bodenressourcen bestmöglich zu nutzen. Dabei treten sich gegenseitig unterstützende Wechselwirkungen auf, wie z.B. Erhöhung der Wasserverfügbarkeit, Bodenverbesserung durch Stickstoffbindung und es gibt sogar Hinweise auf verbesserte Nährstoffaufnahme durch Getreide, das zusammen mit Ackerwildkräutern gedeiht.

So konnten im NBL-Projekt „Blühender Chiemgau“ im Rahmen einer Bonitätsbewertung für Ackerflächen auf einem nach Demeter- Richtlinien bewirtschafteten Acker über 100 Arten von Ackerwildkräutern nachgewiesen werden – trotzdem erzielte der Landwirt gute Erträge! Vom Mischfruchtanbau des Weizens mit Leindotter, einem weitgehend domestizierten Ackerwildkraut, ist inzwischen bekannt, dass der Eiweißgehalt des Weizens um 6-8% ansteigt, was einen deutlich höheren Verkaufswert für den Weizen rechtfertigt. Zusätzlich lässt sich der Leindotter ernten und zu Öl weiterverarbeiten, während sich der Presskuchen hervorragend zur Verfütterung eignet. 

Neben diesen pflanzenphysiologischen Vorteilen bieten die Ackerwildkräuter „Nützlingen“ Nahrung und Lebensraum. „Schädlinge“, wie Rapsglanzkäfer, Getreidehähnchen und Blattläuse, um nur einige zu nennen, treten immer und überall in unseren Ackerkulturen auf. Massenhaftes Auftreten kann zu Ertragseinbußen führen. Diese „Schädlinge“ können jedoch in vielfältiger Landschaft auf biologische Weise in Schach gehalten werden, insbesondere Schlupf-, Erz-, und Zehrwespen, sowie Flor- und Schwebfliegen sind hier als Nützlinge zu nennen. Ein Beispiel einer solchen Verkettung positiver Wirkungen für Nützlinge ist die blaublühende Kornblume, an deren Zuckerausscheidungen eine kleine Schlupfwespe saugt, die wiederum ein bedeutender Parasit der Kohleulen-Larve ist. 

Regulieren statt bekämpfen

Für den Landwirt ist es notwendig, gewisse Beikräuter zu unterdrücken, denn sie stellen eine Konkurrenz zu seinen Feldfrüchten dar, von deren Ertrag er schließlich lebt. Im Biolandbau werden keine Herbizide eingesetzt, hier kommen mechanische und thermische Verfahren ebenso zum Einsatz wie eine vielgliedrige Fruchtfolge, welche unerwünschte Kräuter schwächt. Doch wie oben beschrieben, werden nicht alle Kräuter zum Problem. Es ist wichtig, dass der Landwirt seine Flächen individuell betrachtet. Welche Pflanzen wachsen dort? Wann keimen sie? Wie stark konkurrieren sie mit den Ackerkulturen? Um schließlich zu entscheiden, ob die Beikrautbekämpfung reduziert werden kann. 

  • Striegel bzw. Hacke sind die gängigsten mechanischen Geräte, die hier zum Einsatz kommen. Es ist eine Kunst, die Geräte so einzusetzen, dass die Wildkräuter nicht ganz verdrängt werden, sondern ohne einen wirtschaftlichen Nachteil zu tolerierbaren Beikräutern der Kulturen werden können. Meist werden kleinsamige Wildkräuter, wie z.B. Vogelmiere oder Ehrenpreis, besser bekämpft als großsamige bzw. tiefwurzelnde wie z.B. Klettenlabkraut oder Flughafer. Wird im Frühjahr gestriegelt, so werden winterannuelle Beikräuter reduziert, dafür aber Sommeranuelle zur Keimung angeregt. 
    Versuchsweise kann man z.B. einen Arbeitsgang beim Striegeln auf einem Teil der Fläche auslassen und beobachten, wie sich dieser Bereich im Gegensatz zum Rest entwickelt. Vielleicht gibt das Ergebnis Mut, im nächsten Jahr großflächig etwas zu ändern? 

  • In Wintergetreidefeldern wachsen andere Wildkräuter als in Sommergetreide oder in Mais, Kartoffeln und Rüben. Je abwechslungsreicher also die Fruchtfolge ist, desto ausgewogener ist auch das Vorkommen verschiedener Wildkrautarten. Starkes Aufkommen von Windhalm ist z.B. oft ein Zeichen von einseitigem Anbau von Wintergetreide. Der Wechsel der Fruchtfolgeglieder sorgt dafür, dass keines der Wildkräuter die Oberhand gewinnt. Im Ökolandbau wird ein mehrjähriger Kleegrasanbau gezielt eingesetzt, um Problemunkräuter wie die Acker-Kratzdistel zu unterdrücken. Da viele der Ackerwildkräuter einjährige Pionierarten sind und jedes Jahr von neuem mit ihrem Lebenszyklus beginnen, sind sie an Störungen angepasst. Sie können die Zeit als Samen im Boden überdauern. Beobachten Sie doch einmal Ihre Flächen und schauen sie, wo die größte Artenvielfalt zu finden ist, wo die meisten Blüten vorhanden sind und welche besonders häufig von Insekten besucht werden. 
  • Untersaaten sind eine weitere Möglichkeit, Wildkräuter zu unterdrücken. Hier stellt sich die Frage, ob das reichhaltige Blütenangebot einer Weißklee-Untersaat oder das natürliche Blühspektrum der Ackerwildkräuter wertvoller für die Insektenwelt ist. Eine blühende Weißklee-Untersaat stellt für die Honigbiene eine sehr nektar- und pollenreiche Tracht dar. Eine Mischung verschiedener blühender Ackerwildkräuter bietet dagegen vielen verschiedenen wilden Insektenarten Nahrung. Hier gibt es konträre Naturschutzziele, allerdings sollte an einem Standort mit seltenen Ackerwildkräutern aufgrund ihrer starken Gefährdung diesen in jedem Fall der Vorrang gegeben werden. 
  • Sind Spätentwickler wie z.B. Tännelkräuter, Sichel-Wolfsmilch oder Acker-Ziest vorhanden, sollte der Stoppelumbruch hier erst einen Monat nach der Getreideernte geschehen, damit diese Kräuter zur Samenreife gelangen können. 

Will man sich auf die natürliche Blütenvielfalt einlassen, dann gilt es, experimentierfreudig zu sein! Versuche auf einem Teil der Fläche ermöglichen das Sammeln wertvoller Erfahrungen, die man dann in Ruhe weiter entwickeln kann! Viele Insekten, aber auch Feldvögel und typische Arten der Agrarlandschaft wie das Rebhuhn und der Feldhase werden es Ihnen danken! Und wenn es plötzlich wieder rot, blau, weiß und gelb auf Ihren Flächen blüht, werden sich auch die Menschen daran erfreuen. Ein Feldschild, z.B. „Hier blüht es für Biene, Hummel und Co“, klärt über das „Experiment“ auf, damit niemand denkt, Sie hätten Ihre Beikrautbekämpfung nicht im Griff. 

Von Birgit Petersen, Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen (KÖN) & Holger Loritz, Netzwerk Blühende Landschaft

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Acker

Insektenfördernde Maßnahmen im Erwerbsgemüsebau
Insektenfreundliche Blühstreifen
Insektenfreundliche Flächenstilllegung – einjährig –
Insektenfreundliche Flächenstilllegung – mehrjährig –

Jahreszeiten

Frühling
Herbst
Sommer
Winter
Kostenlos abgerufen von: https://bluehende-landschaft.de/handlungsempfehlung/ackerwildkraeuter-erhalten-und-foerdern