Honigbienen stehlen Wildbienen ihren gesammelten Pollen?

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Honigbienen stehlen Wildbienen ihren gesammelten Pollen? 

Aktuell wird in Teilen der Naturschutz-Szene viel über eine mögliche Konkurrenz von Honigbienen und Wildbienen diskutiert. Leider führt diese Diskussion zu viel Polemik, sodass man manchmal meinen könnte, Honigbienen seien böse und müssten entfernt werden. Es entwickelt sich teils schon ein irrationaler Hass gegen Honigbienen, ähnlich wie gegen Neophyten. Dabei muss man nüchtern-wissenschaftlich einmal betonen, dass es weder böse Bienen und noch böses Springkraut gibt. Alle Arten dieser Erde machen dasselbe: sie wollen wachsen, sich ernähren und vermehren. Und dabei stehen die Arten untereinander in Konkurrenz um begrenzte Ressourcen.

Der neueste Aufschrei ging durch die sozialen Medien, als Sauberer et al. (2023) einen Artikel mit dem Titel „Honigbienen stehlen Wildbienen ihren gesammelten Pollen“ veröffentlicht haben. Die Namen der Institutionen, für die die drei Autoren arbeiten, verweisen auf eine wissenschaftliche Arbeit. Dieses wiederum wird von vielen Über-Aktivisten als Argument genutzt, wie schlimm doch die Honigbienen sind. Und genau dabei outen sie sich nicht nur als oberflächlich, sondern auch selbst fern von jedem wissenschaftlichen Denken.

Denn wer sich ein bisschen damit beschäftigt, wie Wissenschaft funktioniert, wird schnell erkennen, dass hier von einer Beobachtung zu einer Schlussfolgerung gesprungen wurde.

Never jump to conclusions

‘Spring nie zur Schlussfolgerung’ ist eine goldene Regel der Wissenschaft.

Die Autoren des diskutierten Artikels beschreiben Einzelbeobachtungen von sogenannter „Kleptolektie“, also dem Stehlen von Pollen. Honigbienen tun das vor allem untereinander, wenn das Nahrungsangebot dünn ist. Denn dann überfallen starke Bienenvölker die schwachen Völker in der Umgebung. Imker kennen dieses Verhalten nur allzu gut und bezeichnen es in ihrem Imkerlatein als „Räubern“.

So ist es erstmal gar nicht verwunderlich, dass Honigbienen auch auf die Idee kommen könnten, Wildbienen den Pollen abzunehmen. Aber die Autoren schreiben recht zu Anfang des Artikels, dass dieses Verhalten sehr selten ist. Vielen Wildbienenexperten ist das Verhalten ganz unbekannt und auch Westrich (2018) bezeichnet das Phänomen als sehr selten.

Im vorliegenden Artikel wird das Verhalten am selben Ort gleich zweimal beobachtet, jedoch immer auf derselben Pflanze, der Wollkopf-Kratzdistel (Cirsium eriophorum). Der Titel und das Vokabular der Autoren sind – trotz des ansonsten als Anekdote klar erkennbaren Berichts – gelinde gesagt unglücklich gewählt. „Diebstahl“ und „klauen“ sind keine sonderlich neutral-wertfreien wissenschaftlichen Begriffe. Dennoch sollte man nie den Fehler machen, von einer solchen Überschrift zu Folgerungen zu springen wie „Honigbienen sind böse“, Honigbienen bedrohen Wildbienen“ oder gar „Honigbienen müssen weg“.

Wer das tut, hat eher eine Ideologie im Fokus als das Verständnis von Naturzusammenhängen und die effektive Förderung heimischer Artenvielfalt. Aus dieser Beobachtung der „Kleptolektie“ könnte man trefflich wissenschaftliche Hypothesen spinnen und verhaltensökologische Versuche durchführen. Hier mal ein paar Ideen:

  • Warum tritt das offenbar nur bei Wolldisteln auf? Können evtl. die Honigbienen diese Distel mit ihren Mundwerkzeugen nicht nutzen, die Wildbienen aber schon? Nehmen die Honigbienen deshalb verschiedenen Wildbienen dort den Pollen ab?
  • Würde dieses Verhalten auch dann auftreten, wenn außer den Wolldisteln viele andere Pflanzen mit hohem Nektar- und Pollenertrag blühen (Umgebungsanalyse)?
  • Warum erheben die Steinbienen ihr Abdomen und präsentieren den Honigbienen ihren Pollenbauch (Scopa) auf dem Silbertablett? Gibt es da evtl. eine Symbiose, wie z.B. zwischen Blattläusen und Ameisen, zwischen Rindenläusen und Honigbienen? Letztere kennen die Imker ja bestens als Waldtracht bzw. Waldhonig-Quelle.

Wir wissen all das nicht. Und um es herauszufinden bräuchte es Hypothese, Versuchsdesigns, Datensammlung und Statistik. Mit den so entstehenden Ergebnissen kann man dann arbeiten.

Honigbiene und Wildbiene zusammen am Weißen Steinklee. Foto: Linda Trein
Honigbiene und Wildbiene zusammen am Weißen Steinklee. Foto: Linda Trein

Offenbar ist die Honigbiene für viele Menschen, denen Naturschutz am Herzen liegt, eine gefundene Projektionsfläche für ihre Sorgen um die Artenvielfalt. Aber das ist falsch. Die Honigbiene ist ein bei uns heimisches Insekt und gehört ebenso zu unserer Landschaft wie die Wildbienen. Aber: alle unsere Bienenarten leiden. Und selbst eine mögliche Konkurrenz von Honig- und Wildbienen hat dieselbe Ursache wie die Probleme der meisten anderen Arten auch: Lebensraumverlust!

Lasst uns unsere Energie statt in fruchtlose Schuldzuschiebungen lieber in eine positive Gestaltung der Landschaft investieren. Eine reich strukturierte, blühende und umsichtig bewirtschaftete Kulturlandschaft bietet Nahrung und Lebensraum für alle Blütenbesucher. Dann erreichen wir eine Stabilisierung der Biodiversität und können Zusammenleben und Konkurrenz der Arten aus wissenschaftlicher Neugierde statt aus Angst um deren Fortbestand erforschen.

Literatur

Sauberer, Vendler & Kratschmer: Honigbienen stehlen Pollen von Wildbienen BCBEA 7/1 (März 2023)

Westrich P. 2018. Die Wildbienen Deutschlands. Eugen Ulmer KG, Stuttgart, 821 S.

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Kostenlos abgerufen von: https://bluehende-landschaft.de/honigbienen-stehlen-wildbienen-ihren-gesammelten-pollen