Aufruf zu mehr insektenfreundlichen Schottergärten

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Aufruf zu mehr insektenfreundlichen Schottergärten

Es gibt sie. Auch wenn der Begriff „Schottergarten“ in Verruf geraten ist, können richtig angelegte Schottergärten ökologische Oasen für Wildpflanzen und Insekten sein. Doch dazu gehört mehr als nur ein Haufen Steine.

Das Bild in unseren Gärten hat sich in den letzten 70 Jahren sehr stark geändert. Früher wurden im Bauerngarten noch Gemüse und blühende Heilpflanzen angebaut und hinterm Haus befand sich die bunte Blumenwiese mit den reich tragenden Obstbäumen. Heute sieht man vor allem grünen, kurzgehaltenen Rasen und Hecken aus immergrünen, aber fremden portugiesischen Lorbeer oder Thuja. Der Garten soll   sauber, ordentlich und pflegeleicht sein.  Der Vorgarten ist deshalb geschottert, mit kleinen Büschen oder einem Baum – es geht auch ohne – der sogenannte „Schottergarten“. Unter dem Schotter befindet sich eine Plastikbarriere, die das Durchwachsen von „Unkraut“ und ein Bodenleben darunter verhindert. Solche sterilen Schotterflächen heizen sich sehr schnell auf, bieten keinerlei Nahrung und Lebensraum und sind deshalb zum Inbegriff der menschlichen Naturentfremdung geworden.

Negativbeispiel, dieser klassische „Schottergarten“ ist ökologisch tot. Hier können keine heimischen Pflanzen oder Tiere überleben. Foto: Matthias Wucherer
Negativbeispiel, dieser klassische „Schottergarten“ ist ökologisch tot. Hier können keine heimischen Pflanzen oder Tiere überleben. Foto: Matthias Wucherer

“Schottergärten“ sind in vielen Bundesländern, wie z.B. Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein bereits verboten, in anderen Bundesländern können Städte und Kommunen ein entsprechendes Verbot beschließen. Zu Recht! Studien aus den verschiedensten Landschaftsbereichen in Deutschland in den letzten 10 Jahren haben gezeigt, dass die Insektenbiomasse bereits um etwa 70% zurück gegangen ist, eine Umkehr des Trends ist nötig, aber noch nicht in Sicht. Sehr viele Arten kämpfen ums Überleben, darunter Wildbienen, Käfer und Schmetterlinge. Einer der wichtigsten Faktoren für das Insektensterben ist die veränderte Landnutzung. Lebensräume wie Wiesen und ungemähte Säume verschwinden aus dem ländlichen Raum, die Nutzung der Flächen wird intensiviert. Städte und Kommunen wachsen in die Breite und damit auch die Gesamtfläche der privaten und öffentlichen Gärten. Lebensraum und Nahrung für unsere heimischen Insekten verschwindet. Dabei dürfen wir nicht vergessen: Wildpflanzen und Insekten sind die Grundlage für stabile Ökosysteme, dank ihnen ernten wir Früchte und Gemüse!

Intensive Flächennutzung ist einer der wichtigsten Faktoren für das Insektensterben.

Doch mit ein wenig Veränderung geht es auch anders. Während tote Schotterflächen kaum die Bezeichnung Garten verdient haben, können lebendige Stein- oder Schottergärten bei gleich geringem Pflegeaufwand ökologisch sehr wertvolle Flächen sein. Denn ein weiterer Faktor für das beobachtete Artensterben in Deutschland ist der hohe Eintrag von Nährstoffen, z.B. durch Düngung und Abgase, in vielen Bereichen unserer Landschaft. Auf sehr nährstoffreichen Flächen können sich nur einige wenige, durchsetzungsstarke Arten wie etwa der Löwenzahn etablieren, die andere Arten verdrängen. In Bezug auf Artenreichtum gilt oft: Weniger Nährstoffe bedeutet mehr Vielfalt! Die vielen Wildpflanzenarten, die sich nur auf nährstoffarmen Böden etablieren können, sind in unserer überdüngten Landschaft selten geworden und mit ihnen alle Insekten, die auf diese spezialisierten Pflanzen angewiesen sind. Und aus genau diesem Grund bieten Schottergärten große Chancen. Schotter, Split und Sand, können ein gutes Substrat sein, um einer großen Vielfalt an heimischen Wildpflanzen einen nährstoffarmen Lebensraum zu bieten, ohne dass diese durch nährstoffliebende Beikräuter verdrängt werden.

Schotter als Substrat für heimische Wildblumen. Weil viele konkurrenzstarke nährstoffliebende Pflanzen nicht auf Schotter zurechtkommen, können selten gewordene heimische Wildpflanzen durch den gezielten Einsatz von Schotter gefördert werden. Foto: Leon Wurtz
Schotter als Substrat für heimische Wildblumen. Weil viele konkurrenzstarke nährstoffliebende Pflanzen nicht auf Schotter zurechtkommen, können selten gewordene heimische Wildpflanzen durch den gezielten Einsatz von Schotter gefördert werden. Foto: Leon Wurtz

Integriert man auch Sandhügel, offene Bodenstellen oder Totholz in das Beet, finden viele Insekten nicht nur Nahrung, sondern auch Lebensraum für sich und ihre Nachkommen. Sollen bereits bestehende sterile Schotterflächen in blühende -gärten umgewandelt werden, reicht es, die Plastikbarriere zu entfernen, den Schotter stellenweise beiseitezuschieben und die entstehenden Pflanzlöcher mit heimischen, hitzetoleranten Wildblumen zu besetzen. So werden aus ökologisch toten Schotterflächen ohne großen finanziellen oder zeitlichen Aufwand neue wertvolle Lebensräume, die wenig Pflegeaufwand bedürfen. Wird dabei ein Großteil der Fläche mit heimischen Wildpflanzen bepflanzt, lassen auch die Bauordnungen, die eine Begrünung von unüberbauten Flächen fordern, diese insektenfreundlichen Schottergärten zu.

Ökologisch tote Schotterflächen können ohne großen Aufwand zu wertvollen Lebensräumen umgewandelt werden!

Die Fläche der privaten Gärten in Deutschland ist ähnlich groß wie die Fläche aller unserer Naturschutzgebiete zusammen. Oft sind in Landesbauordnungen und Bebauungsplänen ökologisch sinnvolle Elemente für private Gärten, wie z.B. heimische Gehölze vorgeschrieben. Leider wird in der Praxis jedoch wenig kontrolliert, ob diese Vorschriften auch umgesetzt werden. So entstehen noch immer viele „pflegeleichte“ Schotterflächen. Um dem Artensterben entgegenzuwirken, sollte auch ein Rück- oder Umbau bereits bestehender Schotterflächen in Erwägung gezogen werden, als einfacher, wegweisender Schritt. Jede mit Wildkräutern renaturierte Fläche leistet einen wichtigen Beitrag zum Erhalt unserer Artenvielfalt. Jede Blume zählt.

Schwebfliege auf einer Färberkamille. Mit heimischen Wildpflanzen können die unterschiedlichsten Tiere angelockt und gefördert werden. Foto: Janina D’Alvise
Schwebfliege auf einer Färberkamille. Mit heimischen Wildpflanzen können die unterschiedlichsten Tiere angelockt und gefördert werden. Foto: Janina D’Alvise

Von Janina D’Alvise

Dieser Artikel erschien zuerst im KOMMUNAL-Magazin im April 2023.

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Kostenlos abgerufen von: https://bluehende-landschaft.de/aufruf-zu-mehr-schottergaerten