Wie pflege ich Hochstamm-Obstbäume richtig?

Streuobstwiesen sind einer der artenreichsten Lebensräume Mitteleuropas und ein wichtiger Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Die Kombination aus extensiv bewirtschafteter Wiese und hochstämmingen Obstbäumen in verschiedensten Arten, Sorten und Altersstufen sorgt für eine hohe Strukturvielfalt, welche die enorme Biodiversität begünstigt. Für den Erhalt dieses Reichtums spielt, wie bei so vielen Lebensräumen unserer Kulturlandschaft, die richtige Pflege eine wichtige Rolle.

Pflegeschnitte

Pflegeschnitte sind sowohl bei jungen als auch bei älteren Hochstämmen unerlässlich, um die Bäume langfristig gesund zu halten. Bei jungen Bäumen bis zu einem Alter von sechs Jahren soll durch Erziehungsschnitte ein tragfähiges Kronengerüst aufgebaut werden. Ab dem siebten Jahr sorgen Erhaltungsschnitte dafür, dass ein ausgeglichener Triebzuwachs erfolgt und der Baum stabil bleibt.

Der Erziehungsschnitt in der Jugendphase dient dazu, eine tragfähige Krone aufzubauen. Der geeignete Zeitpunkt ist der Spätwinter. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass der Rückschnitt nicht in eine Frostperiode fällt. Beim Erziehungsschnitt werden die Konkurrenztriebe für die Stammverlängerung und die nach innen gerichteten Trieben entfernt. Die drei bis vier Leittriebe, die beim Pflanzschnitt ausgewählt wurden, und der Mitteltrieb werden angeschnitten und zu dicht stehende Fruchtäste werden entfernt. Bei den flacheren Fruchtästen wird je nach Entwicklung entschieden, ob sie belassen, angeschnitten oder abgeleitet werden (Abbildung 1).

Erziehungsschnitt_LfL

Abbildung 1: Erziehungsschnitt (LfL 2020, S. 16). Links: Entfernung der Konkurrenztriebe/ ins Innere der Krone gehende Triebe. Rechts: Anschneiden der Leitastverlängerungen.

Ist der Aufbau der Krone abgeschlossen, sollte je nach Bedarf alle 1-4 Jahre ein Erhaltungsschnitt durchgeführt werden. Aus Sicht der Wundabschottung ist der Schnitt kurz vor dem Austrieb am günstigsten. Bei Kirschbäumen erfolgt der Erhaltungsschnitt jedoch mit oder nach der Ernte.

Durch den Erhaltungsschnitt wird das Gleichgewicht zwischen Früchten und Triebzuwachs erhalten, um den Baum langfristig zu stabilisieren. Dazu werden als erstes die mehr als dreijährigen Fruchtäste, die stark nach unten hängen, entfernt. Zu dicht stehende Triebe im Inneren der Krone werden ebenfalls entfernt, um eine einfach Beerntbarkeit zu ermöglichen und qualitativ hochwertige Früchte zu erhalten (Abb. 2).

Erhaltungsschnitt_LfL

Abbildung 2: Erhaltungsschnitt (Riess, Obstbaumschnitt in Bildern). Die blau eingezeichneten Äste werden entfernt (LfL 2020, S. 16).

Weder die Leitäste noch der Mitteltrieb werden angeschnitten, allerdings werden diese von Zeit zu Zeit auf- bzw. abgeleitet. Die Kronenhierarchie soll hierbei erhalten bleiben, sodass die Fruchtäste den Leitäste untergeordnet bleiben.

Sobald ein Baum kaum noch Triebwachstum zeigt, der Kronenaufbau verloren gegangen ist oder Astabbrüche drohen, ist ein Erneuerungsschnitt notwendig. Dies ist häufig bei lange vernachlässigten Streuobstbeständen und vernachlässigten Jungbäumen der Fall.

Im ersten Schritt werden herabhängende Fruchtäste und zu eng in der Krone stehende Äste entfernt oder abgeleitet. Die Leitäste und der Mitteltrieb werden wieder herausgearbeitet und die Kronenhierarchie wieder hergestellt. Allerdings sollten große Schnittwunden mit einem Durchmesser von über 10 cm am Stamm und an der Leitastbasis vermieden werden, um keine Pilzinfektion zu riskieren. Somit ist es bei Altbäumen oft nicht mehr möglich, die gedachte Idealform zu erreichen.

Die Erneuerung eines Altbaums sollte auf zwei Schnittdurchgänge innerhalb von 5 Jahren verteilt werden, um eine übermäßige Neubildung von Trieben zu vermeiden.

Die richtige Leiter für den Obstbaumschnitt. Foto: Ingo Lau
Pflegeschnitt eines alten Obstbaumes, Foto: Vera Müller

Das richtige Werkzeug

Für den Rückschnitt von Obstbäumen sind passende Scheren und Sägen unerlässlich. Zweige mit einem Durchmesser von bis zu 1,5 cm können problemlos mit einer Handschere geschnitten werden. Am besten hierfür geeignet sind sogenannte „Bypass-Scheren“, da sich hier beide Klingen bewegen und somit der Trieb nicht gequetscht werden kann.

Auch unter den Astscheren, die für Äste bis 5 cm Durchmesser geeignet sind, sind die Bypass-Modell am besten geeignet.

Wenn die Bäume später höher werden und ohne Leiter zurückgeschnitten werden sollen, empfehlen sich Teleskopscheren, die über einen langen Stiel verfügen.

Für dickere Äste sind Astsägen empfehlenswert. Klassischerweise werden Bügelsägen mit verstellbaren Sägeblättern verwendet, die auch für stärkere Äste geeignet sind. Zugsägen werden nur in eine Richtung, und zwar nach hinten, bewegt. Sie sind kleiner und daher auch für dichte Kronen geeignet. Sie lassen sich mit einer Teleskopsäge kombinieren, um auch vom Boden aus stärkere Äste sägen zu können.

Hinweis: Um die Übertragung von Krankheiten zu vermeiden, sollten beim Wechsel von einem zum anderen Baum die Werkzeuge mit Ethanol desinfiziert werden.

Weitere Pflegemaßnahmen

Bewässerung

In den ersten zwei Jahren ist die Bewässerung der jungen Obstbäume unabhängig von der Witterung notwendig. Ab dem dritten Jahr sollte bei Trockenheit bewässert werden.

Nährstoffversorgung

Eine maßvolle Düngung der ist insbesondere in den ersten 5 bis 10 Jahren notwendig, um einen guten Triebzuwachs des Jungbaumes sicherzustellen. Ab dem zweiten Standjahr werden im März auf die Baumscheibe 150 g bis 350 g Hornmehl und vier bis fünf Schaufeln gut verrotteter Stallmist aufgebracht.  

Konkurrenz vermeiden

Während der ersten sechs Jahre sollte die Baumscheibe dauerhaft von Wildkräutern freigehalten werden, da diese in Konkurrenz um Nährstoffe und Wasser mit dem jungen Baum treten. Dabei sollten jedoch nur die oberen 5 cm der Bodenschicht mit einer Schaufel abgestochen und gedreht werden. Außerdem müssen die 10 cm um den Stamm herum unberührt bleiben, um Stamm und Wurzelwerk nicht zu verletzen.

Nützlingsförderung

In der Umgebung der Streuobstwiese sollten Nützlinge gefördert werden, um Raupen, Blattläuse usw. in einem erträglichen Ausmaß zu halten. Dazu können in der Nähe der Obstbäume Meisenkästen aufgehängt werden, da Meisen gerne zur Versorgung ihrer Brut schädliche Larven wie die des Fruchtschalenwicklers einsammeln.

Ohrenkneifer ernähren sich vor Allem von Blattläusen und tragen so zur Regulierung der Schädlingspopulation bei. Nisthilfen für Ohrenkneifer können leicht selbst hergestellt werden, indem ein Tontopf mit Stroh gefüllt und mit der Öffnung nach unten in der Nähe der jungen Bäume aufgehängt wird. Bei älteren Bäumen können diese auch direkt in die Baumkrone gehängt werden.

Außerdem ist es empfehlenswert, kleinblütige Wildpflanzen wie Schafsgarbe und Wilde Möhre in der Nähe der Obstbäume zu haben, da Schlupf- und Brackwespen, die als natürliche Gegenspieler von Schädlingen wie der Pfennigminiermotte fungieren, vom Vorhandensein dieser Blüten profitieren.

Ernte

Um die Obstbäume langfristig vital zu erhalten, ist es wichtig, die Früchte zum richtigen Zeitpunkt zu ernten. Hierbei wird zwischen den Zeitpunkten der Pflückreife und der Genussreife unterschieden. Je nach Art und Sorte liegen diese Zeitpunkte unterschiedlich weit auseinander. Bei einer zu frühen Ernte ist das Aroma noch nicht stark genug ausgebildet. Erfolgt die Ernte hingegen zu spät, leidet die Lagerfähigkeit der Früchte. Die Pflückreife ist erreicht, wenn die Frucht sich mit einer leichten Drehung samt Stiel vom Fruchtholz löst.

Bei Äpfeln wird die Genussreife oft erst nach mehreren Monaten der Lagerung erreicht. Im Vergleich dazu liegen die Pflück- und Genussreife bei Birnen näher beieinander. Insbesondere, wenn die Birnen noch eine Zeit lang gelagert werden sollen, sollte auf einen rechtzeitigen Erntetermin geachtet werden.

Kirschen und Zwetschgen sollten dagegen bis zur Genussreife am Baum bleiben, da sie nicht mehr nachreifen. Direkt nach der Ernte sollten sie verzehrt oder verarbeitet werden.

Fallobst und Früchte, die bei der Ernte zu Boden gefallen sind, sollten getrennt aufgesammelt werden, da sie nicht gelagert werden können. Druckstellen würden im Lager zu schimmeln beginnen. Solche Früchte müssen sofort verarbeitet werden.

Hinweis: Es gibt es große Unterschiede zwischen den Reifezeitpunkten und der Lagerfähigkeit der unterschiedlichen Sorten, insbesondere bei Äpfeln. Bitte informieren Sie sich daher konkret über die von Ihnen ausgewählten Sorten.

Diese Anleitung gibt einen kurzen Überblick über die notwendigen Maßnahmen, die bei der Pflanzung von Hochstämmen zu berücksichtigen sind und kann keine umfassende Beratung ersetzen.

Literatur

Emmer, W., Hausmann, K., Schmitt, J. (o. D.). Broschüre zur Anlage von Streuobstwiesen. Baumschule Schmitt.

LBV (2022). FAQ: Streuobstwiesen selbst anlegen und pflegen. https://www.lbv.de/naturschutz/lebensraeume-schuetzen/streuobstwiesen/faq-streuobstwiesen/ (letzter Zugriff am 11.09.2022)

LfL, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (2020). Streuobst: Erhalten – pflegen – nutzen. Freising-Weihenstephan.

LfL nach Riess, H. (1993). Obstbaumschnitt in Bildern.

Schwäbisches Streuobstparadies (o. D.). Schnittwerkzeuge. https://www.streuobstparadies.de/Bewirtschaften/Bewirtschaften/Baumpflege/Schnittwerkzeuge (letzter Zugriff am 11.09.2022)

Zehnder, M. & Weller, F. (2011). Streuobstbau – Obstwiesen erleben und erhalten. Ulmer Verlag, Stuttgart.

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Kostenlos abgerufen von: https://bluehende-landschaft.de/handlungsempfehlung/streuobst-pflege